Piet Mondrian, Bäuerin mit Kuh, 1898-’99, getuschte Zeichnung, Sammlung Verein Museum Winterswijk.

Diese Zeichnung passt sehr gut in die Sammlung der bäuerlichen Szenen, die Mondrian oft gezeichnet und gemalt hat. Dennoch handelt es sich nicht um eine Bäuerin aus der Region Achterhoek. Die Zeichnung ist eindeutig eine Studie von Julien Duprés Gemälde Au Pâturage. Vermutlich kannte Pete dieses Gemälde aber nur von einer Schwarz-Weiß-Reproduktion. Duprés Gemälde wurde 1882 auf dem Pariser Salon ausgestellt, und Piet war damals erst 10 Jahre alt. Auch in den folgenden Jahren hatte Pete keine Gelegenheit, das Gemälde in natura zu bewundern. Wir wissen, dass es sich um eine Schwarz-Weiß-Reproduktion handeln muss, weil die Farben in Petes Version vom Original abweichen, insbesondere die der Kleidung der Frau. Abgesehen von den Farbunterschieden deutet der unterschiedliche Stil darauf hin, dass Mondrian seiner Studie sogar eine Studie eines anderen Künstlers zugrunde gelegt haben könnte, anstatt eine Reproduktion des Originals.

Der unterschiedliche Stil könnte aber auch auf Mondrians eigene künstlerische Unzulänglichkeiten zurückzuführen sein. Wie in unserem Artikel über das schreibende Mädchen beschrieben, war das Modellzeichnen nicht Mondrians Stärke. Auch die Kuh in dieser Zeichnung ist nicht anatomisch korrekt. Der Körper scheint lange gestreckt zu sein, wie man auf dem Bild sehen kann. Dies könnte das Ergebnis mangelnden Könnens sein, aber auch eine bewusste Entscheidung, um die Dynamik und Spannung des Originalgemäldes zu imitieren. Die Bäuerin versucht mit aller Kraft, die Kuh zu bändigen. Die Kuh zieht jedoch so stark wie möglich in die entgegengesetzte Richtung. Indem die Kuh in die Länge gezogen wird, verstärkt sie die Bewegung der Frau und die Spannung in der Szene.

Julien Dupré, Au Pâturage, 1882, Öl auf Leinwand, Sammlung der Washington University Art Gallery