Bäuerliches Interieur mit Kamin in der Achterhoek, ca. 1890 – 1892
Bäuerliches Interieur mit Kamin in der Achterhoek, ca. 1890 – 1892, Öl auf Leinwand, 56 x 62cm, Sammlung Villa Mondriaan, Winterswijk
Auf diesem Gemälde sehen wir einen Teil einer Wohnküche, in die die Sonne durch die Sprossenfenster einfällt und starke Schatten wirft. Der Kamin mit hängendem Kaminsims dominiert den Raum. Vor der gefliesten Herdplatte hängt ein gusseiserner Kessel, in dem eine gebückte Frau mit grünem Rock und weißer Mütze an Holzschuhen arbeitet. Auf der anderen Seite des dreibeinigen Tisches, auf dem ein glänzender Kupferkessel steht, schläft ein Hund auf dem Boden. Drei Stühle und ein rechteckiger Tisch stehen an der bläulichen Wand. An der Wand hängen ein Spiegel mit einem Tablett und ein Tuch an einem Nagel. Auf der imposanten roten Standuhr neben der Tür lässt sich die Uhrzeit nur schwer ablesen. Hinter dem Fenster sehen wir den Brunnenhaken. Das Ganze macht einen hellen, lebendigen und harmonischen Eindruck.
Kunsthistorisch ein außergewöhnliches Gemälde
Mondriaan malte dieses Bauerninterieur mit Kamin in der Achterhoek zwischen 1890 und 1892 in Ölfarbe. Vergleicht man es mit seinen fein gemalten Stillleben jener Zeit, so fallen die lockeren, groben und kurzen Pinselstriche auf. Diese Pinselführung finden wir auch in einem etwas späteren Gemälde wieder: Frau mit Kind vor Bauernhof von ca. 1894-96, das im nächsten Raum des Museums hängt. Beide Gemälde erinnern an Breitner (1857 – 1923) und Israels (1856 – 1934). Doch sowohl Mondriaans Themenwahl als auch sein Malstil hinterlassen einen ganz eigenen Eindruck. Der Einsatz von Hell und Dunkel und die Verwendung von Farbe verleihen dem Bild ein helles Aussehen. Wir sehen einen rhythmischen Wechsel von geraden und schrägen Linien, die sich wiederholen. Das Linienraster der Fenster spiegelt sich in dem Kachelraster hinter dem Kamin wider. Die kurzen, groben Pinselstriche tragen ebenfalls zu einem lebendigen Rhythmus bei. Das abgewinkelte Dreibein und der schräge Grubenhaken spiegeln die schrägen Linien wider, die durch den Schatten entstehen. So entsteht ein dynamisches Zusammenspiel der Linien. Der Kaminsims mit den Tellern, der Boden und die Kacheln des Kamins scheinen wie von Grund auf neu gemalt zu sein. Wir sehen in diesem Gemälde also genau das, was das Museum Villa Mondrian zeigen will. Wie die Direktorin Jana Roovers sagte: “In Winterswijk begann die Suche des jungen Künstlers nach der Abstraktion.” Dieses Gemälde ist ein Beispiel dafür.
Es ist auch ein besonderes Gemälde in Mondriaans Oeuvre. Es sind nur wenige seiner bäuerlichen Interieurs bekannt, und es wird vermutet, dass er sie in der Gegend von Winterswijk gemalt hat. Dieses Werk ist daher eine sehr wichtige Ergänzung zu den bereits von Privatpersonen und der Vereniging Het Museum zur Verfügung gestellten Werken. So haben Mondriaans Werke Kuh von ca. 1898-1899 und die St. Jakobskirche von 1898 einen Ehrenplatz im Museum Villa Mondriaan. Darüber hinaus sind auch die Werke von Vater Mondriaan senior und Onkel Frits Mondriaan, die das Museum Achterhoek ebenfalls als Leihgaben besitzt, von großer Bedeutung für das Verständnis der Entwicklung von Mondriaans Kunstschaffen. Frits Mondriaan, der Bruder seines Vaters, kam oft von Den Haag nach Winterswijk, um mit seinem Neffen zu malen.
Ein Bauerninterieur aus der Gegend von Winterswijk
Während des Treffens mit der Enthüllung erläuterte die Beraterin für das Kulturerbe und Projektleiterin der Gelders Genootschap, Marlieke Damstra, die Bedeutung der Bauerninterieurs mit Herd in der Achterhoek im Lichte der Forschung über historische Interieurs in der Achterhoek. Das Bauernhaus, das wir sehen, ist ein Beispiel des sogenannten Hallenhauses. Das ist ein dreischiffiges Gebäude mit der Scheune in der Mitte und den Ställen auf beiden Seiten. Auf dem Bild sehen wir die Wohnküche, die multifunktional genutzt wurde. Sie wurde nicht nur zum Kochen und Essen genutzt, sondern auch für handwerkliche Arbeiten. Die Möbel mussten daher leicht zu bewegen sein. Aus diesem Grund sind die meisten Möbel an die Wand gestellt, wie es damals üblich war. Auf dem hängenden Kamin, auch bozem genannt, befinden sich Teller, die sowohl eine dekorative als auch eine praktische Funktion haben. Aufgrund des lockeren Malstils auf Mondriaans Gemälde können wir nicht klar erkennen, um welche Art von Boden es sich handelt. Möglicherweise handelt es sich um einen Feldkieselboden, wie er noch auf dem Bauernhof Luikenhuis in Meddo zu sehen ist, oder um einen Topfboden, wie wir ihn noch auf dem Bauernhof Vardink in Kotten finden. Die Kacheln auf der Rückseite der Feuerstelle konnten Bilder mit symbolischer Bedeutung sein, zum Beispiel ein Anker, eine Sense und eine Sanduhr. Solche symbolischen Bilder sind noch auf dem großen halbrunden Gemälde Uw woord is de waarheid von 1984 zu sehen, das Mondriaan gemalt und von seinem Vater entworfen hat.
Dein Wort ist Wahrheit” ist in der Villa Mondriaan zu sehen, die es als Leihgabe der Wilhelmina-Schule besitzt. Das Gemälde zog 1906 mit um, als eine neue Schule für christliche Erziehung gebaut wurde. Zu Mondriaans Zeiten glaubte man, dass das Blau an den Wänden Fliegen abhalten würde. Damstra zufolge war das ein Aberglaube. Es war Farbe, die in großen Mengen auf den Markt kam. Die Sprossenfenster aus dem 18. Jahrhundert sind in unserer Zeit etwas Besonderes, da sie fast alle verloren gegangen sind. Aber wie wir in der Mondriaan-Fahrradtour lesen – zu der sehr vorausschauend auch das Innere eines Bauernhauses mit Kamin in der Achterhoek gehörte – können wir ähnliche Fenster noch auf dem Bauernhof Hilbelink am Horstweg 12 in Brinkheurne sehen.
Die Reise des Gemäldes
Vermutlich schenkte Mondriaan dieses Werk 1916 seinem Kollegen Doorn, der bei ihm in seinem Atelier Zeichenunterricht gab, woraufhin es 1979 in die Privatsammlung seines Erben F. Doorn in Den Haag gelangte. Seit 1984 befand sich das Werk in einer Privatsammlung in Los Angeles und dann in der Sammlung von Herrn und Frau Besselaer in Princeton. Sie sammelten nach ihrer Auswanderung in die Vereinigten Staaten typisch niederländische Gemälde, um die Verbindung zu den Niederlanden aufrechtzuerhalten. Im Jahr 2009 wurde das Gemälde von der Familie des Besitzers erworben, die es am Sonntag, den 9. Oktober 2022, in Amsterdam versteigern ließ. Dort wurde es von Joldersma und Jolink gekauft, die von Wim van Krimpen, u.a. ehemaliger Direktor des Kunstmuseums Den Haag und der Kunsthalin Rotterdam und Mitbegründer der Villa Mondriaan, unterstützt wurden.
Caroline Roos- Schuurman: ‘Neuerwerb Museum Villa Mondriaan: Bauerninterieur mit Kamin in der Achterhoek’.
Dieser Artikel erschien in Museum News Dezember 2022 Verein das Museum (VHM) Winterswijk.